Auf dem HSK-Zoom Blog ist ein Artikel erschienen, der einige kritische Fragen zur Piratenpartei stellt. Hier sind meine Antworten darauf als einfacher Basispirat:
Sie sind in mehreren Landtagen vertreten, doch über die Politik, die sie dort machen, höre ich fast nichts. Ja, ich weiß, in der Opposition kann man nicht viel mitgestalten, aber wollten sie nicht zumindest frischen Wind in die Landesparlamente bringen? Wo ist dieser? Und wollten sich die Piraten nicht thematisch besser aufstellen? Wofür genau stehen die Piraten heute? Warum höre ich in den Nachrichten nicht auch einmal Stimmen der Piraten zu Themen, die die Menschen bewegen? Welche Ansichten vertreten die Piraten beim Thema Energiewende? Haben sich Berliner Piraten eigentlich zum Mord am Alexanderplatz geäußert? Haben sie eine Meinung zur geplanten Senkung der Rentenversicherungsbeiträge, zur möglichen Abschaffung der Praxisgebühr? Wo finde ich Stellungnahmen zu so umstrittenen Themen wie dem Betreuungsgeld?
Der nächste Bundesparteitag ist ein Programmparteitag. Dort wird das Programm weiter ausgeweitet werden. Das Antragsbuch umfasst dazu 1464 Seiten, man kann also nicht sagen, dass wir keine Themen haben. 🙂 Warum man in den Nachrichten nichts über die Themen hört, muss man die Medien fragen. Wir sind ein freies Land und die Presse kann über das berichten, was sie will. Wir müssen uns aber natürlich auch an die eigene Nase fassen, da die Personalquerelen und Shitstorms ja nun wirklich nicht sein müssten und das natürlich ein gefundenes Fressen für die Medien sind.
- Zur Energiepolitik steht im Moment nicht besonders viel im Grundsatzprogramm. Es gibt aber Meinungsbilder aus dem dem Liquid Feedback, die zeigen welche Richtung die Piraten da einschlagen wollen. Zum Beispiel:
- i4799: [Wahlprogramm] Politische Weichenstellungen für die erfolgreiche Energiewende
- i4791: Atomausstieg als Positionspapier (ausführlich)
- i4721: Energiewende – Für eine zukunftssichere Energiewirtschaft / Atomausstieg
- i3307: verstärkte Förderung kleiner dezentraler Solar- und Fotovoltaikanlagen
- i3212: Klares Bekenntnis zur Energiewende
- Ich meine zum Mord am Alexanderplatz hätte Christopher Lauer in einer Plenarsitzung des Abgeordnetenhaus etwas gesagt, ich finde es aber gerade nicht wieder. Ich meine es wäre sowas wie mehr Polizeipräsenz statt Kameras gewesen.
- Zur Praxisgebühr gibt es Meinungsbilder im Liquid Feedback. Wir sind dagegen:
- Zur Senkung der Rentenversicherung gibt es soweit ich weiß keine Position. es gibt aber eine Reihe von Anträgen, die sich mit einer Reform der Sozialversicherungen befasst.
- Das Betreuungsgeld finden wir doof:
Da die Piratenpartei das Programm nur auf Parteitagen und nur mit 2/3 Mehrheit erweitern und ändern kann, dauert es natürlich länger als bei anderen Parteien, bei denen der Spitzenkandidat etwas sagt, was dann als Parteimeinung gilt und dann als Leitantrag auf dem nächsten Parteitag nur durchgewunken werden muss Was wirklich fehlt ist die Möglichkeit auch zwischen den Parteitagen verbindliche Beschlüsse zu fassen. Hier kann meiner Meinung nach nur ein verbindliches Liquid Feedback helfen, in dem beschlossene Initiativen den Status eines Positionspapiers erhalten, was dann auch gegenüber der Presse als Parteimeinung vertreten werden kann.
Wie war das noch? Themen statt Köpfe. Aber warum geht es dann ständig nur um bestimmte Köpfe? Wie konnte es so weit kommen, dass eine junge Frau einen derart gewinnbringenden Buchvertrag abschließt, anscheinend nur, weil sie im Vorstand der Piratenpartei ist? An ihren schriftstellerischen Qualitäten kann es nicht liegen; das wird nach der Lektüre der ersten Seiten schnell deutlich. Wieso dreht sich ständig alles um diesen Geschäftsführer und seinen Lebenswandel? Wieso informiert uns eine Abgeordnete der Piraten im Landtag von NRW über ihren ONS und das gerissene Kondom? Und wieso fallen Worte wie „Tittenbonus“, wenn ein Pirat anscheinend mal versucht, sich zu einem aktuellen politischen Thema zu äußern? Ist das der frische Wind, oder ist das Unvermögen, sich auszudrücken?
Themen statt Köpfe halte ich persönlich für einen Irrweg. Es muss immer Köpfe geben, die die Themen auch präsentieren können. Es darf natürlich nicht dazu kommen, dass die Köpfe dann wichtiger werden als die Themen, oder dass einzelne die Themen diktieren können. Die Gefahr sehe ich aber auch nicht, da alle Programmpunkte auf Parteitagen beschlossen werden und es da keine Leitanträge gibt, sondern die Anträge aus der gesamten Partei kommen.
Zu den angesprochenen Personen:
- Julia Schramm hat meines Wissens schon bei der Bewerbung um die Vorstandswahl gesagt, dass sie einen Buchvertrag hat. Man kann ihr also nicht vorwerfen den Vertrag nur durch den Bundesvorstandsposten bekommen zu haben.
- An Johannes Ponader gibt es sicher einiges zu kritisieren, aber ich denke nicht, dass sein Lebenswandel dazu gehört. Als Piraten stehen wir zur freien Entfaltung der Persönlichkeit und dazu gehört auch sein Leben so zu leben wie man das für richtig hält. Besonders die Kritik, dass ein “Hartzer” ja nicht seine Zeit damit verschwenden soll Politik zu machen, sondern lieber arbeiten gehen soll, kann ich nicht nachvollziehen. Gerade auch Menschen die Hartz4 bekommen muss es möglich sein auch Politik zu machen. Wir sind gegen die Hartz4 Sanktionen und stehen ja auch für ein Bedingungsloses Grundeinkommen, dass es jedem Menschen ermöglichen soll sich frei zu entfalten.
- Warum sollte Birgit Rydlewski nicht über ihr Privatleben schreiben dürfen? Wen das nicht interessiert, der muss das ja nicht lesen. Ich finde das durchaus sympatisch, wenn man sieht, dass Politiker auch “nur” Menschen sind.
- Was Gerwald Claus-Brunner geritten hat “Tittenbonus” zu twittern weiß ich auch nicht. Das ist völlig inakzeptabel. Insbesondere wenn man sieht, dass in der Piratenpartei ein “Penisbonus” vorzuherrschen scheint.
Wenn nächsten Sonntag Bundestagswahl wäre… Ich würde die Piraten nicht wählen.Auch wenn ich mit den etablierten Parteien in sehr vielen Punkten nicht einverstanden bin, möchte ich nicht noch eine Fraktion dort sehen, die sich in Sachen Macht ähnlich verhält wie die alten Parteien, aber dann auch noch kaum etwas zu wichtigen Themen beiträgt. Ich möchte niemanden wie Johannes Ponader im Bundestag sehen, dessen ganzes Leben sich anscheinend nur um ihn selbst dreht und dem andere Menschen egal sind. Warum sonst sollen andere arbeiten gehen, damit er sich selbst verwirklichen kann? Ich möchte auch keine Anke Domscheit-Berg im Bundestag sehen, die mal schnell die Partei wechselt, weil sie hofft, so in den Bundestag zu kommen, und die, sobald sie nicht auf Platz 1 der Landesliste gewählt wird, beleidigt analysiert, dass es daran liegt, dass sie eine Frau ist. So jemand möchte sich für Frauenrechte einsetzen? Meiner Meinung nach schadet sie mit ihrem Verhalten Frauen.
Johannes Ponader kandidiert (bisher) nicht für den Bundestag. Anke Domscheid-Berg hätte ich gerne auf Platz 1 der Landesliste in Brandenburg gesehen, da sie sich schon lange engagiert und eine echte Bereicherung für den Bundestag wäre. Im Hinblick auf die Listen in den anderen Ländern, auf denen die Frauen auch meistens auf aussichtslosen Plätzen gelandet sind, teile ich auch die Einschätzung, dass ihr Geschlecht zu ihrer Platzierung beigetragen hat. Ich denke die Piraten brauchen eine Frauenquote, sonst wird das nie was.
Es gibt bereits zu viele Abgeordnete, denen es nur um Macht, Geld und die eigene Person geht. Mittlerweile glaube ich, dass die Piraten sich nicht von diesen unterscheiden, höchstens darin, dass sie oft ungeschickter im Umgang mit den Medien und der Öffentlichkeit sind. Das liegt wohl daran, dass der Erfolg zu plötzlich kam, und mit dem Erfolg kamen jede Menge Opportunisten. Diese muss die Piratenpartei erst einmal wieder loswerden, und sie muss einen Weg finden, sich im aktuellen politischen Geschehen mehr zu Wort zu melden, mit Meinungen, Ansichten und Lösungsvorschlägen, nicht mit persönlichen Querelen oder Fehltritten. Ich denke nicht, dass sie dies bis September 2013 schaffen kann.
Ich stimme zu, dass die Piraten wieder mehr mit Themen in die Öffentlichkeit kommen müssen. Da wird der nächste Parteitag helfen, da dort (hoffentlich) das Programm stark erweitert wird. ich denke aber nicht, dass die Piratenabgeordneten Geld- und Machtgeil sind. Wenn man sich so die Podcasts zum Beispiel der Berliner anhört, haben die einen ganzen Haufen arbeit.
Ich denke, dass wir das bis September 2013 schaffen können.
2 replies on “Warum überhaupt noch Piraten wählen? Einige Antworten.”
[…] wählen? Eine Abrechnung mit vielen Fragenzeichen …” Die Antwort von Markus Heberling ist heute zuerst in seinem eigenen Blog “Coding == Relaxing” erschienen und wird hier mit freundlicher Genehmigung des Autors als Crossposting […]
Hallo,
na, dann will ich natürlich auch auf die Erwiderung eingehen. Vielen Dank übrigens für diese detaillierte Antwort.
Ich gebe zu, als potenzielle Wählerin möchte ich nicht über 1000 Seiten lesen müssen, zumal es ja erst einmal Anträge sind. Was daraus wird, entscheidet – wenn ich es richtig verstehe – der Bundesparteitag. Und ja, ich bin auf Erweiterungen des Programms der Piraten gespant.
Zum Verhältnis zu den Medien. Ich erwarte bestimmt keine CSU-Methoden, aber wo ist z. B. eine Stellungnahme der Piratenpartei zum gestrigen Koalitionstreffen? Ich habe Reaktionen von SPD, Grünen und Linken gelesen, warum mischen die Piraten da nicht ein bisschen mit?
Die Links zum Liquid Feedback habe ich mir angesehen, z. B. zum Betreuungsgeld: https://lqfb.piratenpartei.de/lf/initiative/show/2946.html
Doch was bringt mir diese Abstimmung dort? Wo ist ein detaillierter Standpunkt der Piraten zu diesem Thema? Verlinkt wird auf eine Info-Seite zum Betreuungsgeld und es wird einfach nur abgestimmt.
Ich denke, bei den angesprochenen Personen scheiden sich die Geister. Zu Johannes Ponader kann ich eigentlich nur auf einen Artikel verweisen, den ich sehr passend finde (ich selbst schreibe mich sonst nur in Rage):
http://www.stern.de/politik/deutschland/galionsfigur-der-piraten-ponaders-ego-trip-auf-kosten-anderer-1855721.html
Bei den anderen werde ich mich jetzt auch einmal zurückhalten, schließlich soll es ja eben nicht um die Personen gehen.
Ich bin jedenfalls gespannt auf die weitere Entwicklung der Piratenpartei, aufgrund der letzten Monate aber eher pessimistisch.